Serie "Unser Spiel der Spiele"
Zehn-Tore-Spektakel am Lerchenfeld: Ruhmannsfelden rang Mauth doch noch nieder

01.03.2022 | Stand 19.09.2023, 3:10 Uhr

Das Maß aller Dinge war in der Bezirksliga-Saison 1980/81 die Spvgg Ruhmannsfelden. Hier die Meistermannschaft vor dem letzten Heimspiel gegen Büchlberg: Stehend von links: Viktor Stern, Spielertrainer Sepp Reitbauer, Franz Zollner, Georg Brummer (†), Hans Riedl, Hans Koppera, Ludwig Kilger, Betreuer Mojmir (Maik) Motal, Vorsitzender Dr. Willi Kaspar. Vorne von links: Bruno Stern, Max Brunner II (†), Sepp Venus, Helmut Biermeier, Rudi Plötz, Helmut Brunner, Georg Fleischmann; es fehlen Franz Freisinger, Max Brunner I und Sepp Kilger.

1946 ist das Gründungsjahr der Spvgg Ruhmannsfelden. Nachdem deren Fußballer in den ersten 30 Jahren in unteren Spielklassen dem runden Leder nachjagten, setzten sie Ende der 1970er-Jahre zu einem Höhenflug an. Die Spvgg Ruhmannsfelden schaffte den Durchmarsch von der B-Klasse (heute Kreisklasse), über die A-Klasse (heute Kreisliga) in die bereits damals zweigeteilte Bezirksliga. Als Aufsteiger sorgte Ruhmannsfelden in der Saison 1980/81 gleich wieder für Furore und eine Partie ist sowohl Spielern und Funktionären als auch vielen Anhängern unvergessen geblieben.

Trotz der späteren Aufstiege in die Landesliga (1984, 1988, 2012) und in die Bayernliga (2015) ist eine Begegnung aus dem ersten Bezirksliga-Jahr zum "Spiel der Spiele" auserkoren worden: Die Heimpartie gegen den TSV Mauth am 2. November 1980, ein Fußball-Spektakel mit zehn Toren, das die Ruhmannsfeldener nach verrücktem Spielverlauf mit 6:4 gewannen. Am Ende der Saison eroberte die Spvgg in überlegener Manier die Meisterschaft in der Bezirksliga Ost, doch die Krönung, der verdient gewesene Sprung in die Landesliga, blieb der Mannschaft nach drei ebenfalls denkwürdigen Relegationsduellen verwehrt.

"Im Nachhinein betrachtet, war dieser Sieg gegen Mauth schon eine kleine Vorentscheidung auf dem Weg zum Titelgewinn, mit dem ja keiner gerechnet hatte", glaubt Dr. Willi Kaspar, der maßgeblichen Anteil am Aufschwung der Ruhmannsfeldener Fußballer hatte. Seine bis heute andauernde Funktionärslaufbahn begann vor 50 Jahren, als sich Dr. Kaspar um den Nachwuchs der Spvgg kümmerte und als Jugendtrainer und -leiter den Großteil der späteren Meistermannschaft unter seinen Fittichen hatte. "Wir haben im ersten Bezirksliga-Jahr mehrere Spiele mit überragenden Leistungen abgeliefert, aber das Match gegen Mauth war etwas Einmaliges", schwärmen Rudi Plötz und Viktor Stern, Ruhmannsfeldener Fußball-Legenden und damals die Denker und Lenker im Team der Spvgg, die mit Ludwig Kilger, einem der Hauptakteure im "Spiel der Spiele" und derzeit Sportlicher Leiter der Fußballsparte, sowie dem amtierenden Vorsitzenden Roland Wiesinger das bedeutsame Ereignis nochmals Revue passieren lassen. "Ich war zwar erst zehn Jahre alt, doch die wichtigsten Szenen vom 6:4 gegen Mauth sind noch präsent und zudem durch Erzählungen aufgefrischt worden," sagt der Vereinschef.

Hier lesen Sie die weiteren Teile der Serie:
- Vor 11.500 Fans: Löwen-Gastspiel als Fußball-Volksfest beim FC Vilshofen
- 8500 Fans, ein Traumtor und viele Kuriositäten: Das Spiel der Spiele des 1.FC Passau
- Freunde wurden zu Helden: Als die Spvgg Osterhofen ihre Rückkehr auf Niederbayerns Fußballbühne perfekt machte
- Legendäre Sandplatz-Schlacht: Als der FC Otterskirchen 1981 den 1.FC Passau in die Knie zwang
Besagtes Duell ging am dritten Rückrundenspieltag der Bezirksliga-Saison 1980/81 über die Bühne, ein echtes Gipfeltreffen zwischen der ganz oben stehenden Spvgg und dem mit zwei Punkten Rückstand auf Rang zwei lauernden Rivalen aus dem Unteren Wald, der mit den Gebrüdern Eder, Dorner, Köck, Hilz, Franz Lenz und Schlussmann Franz Gibis hervorragende Kicker in seinen Reihen hatte. Nach dem 2:3 beim Hinspiel in Mauth ließ sich Ruhmannsfelden nicht mehr bezwingen und für die bis dahin einzige Niederlage wollte sich die Spvgg natürlich revanchieren. Trotz nasskalter Witterung am ersten November-Sonntag strömten gut 1000 Zuschauer auf die Vereinssportanlage am Lerchenfeld mit dem kleinen Spielfeld, das vor einigen Jahren zum bislang einzigen Kunstrasenplatz im Landkreis Regen umgebaut wurde. Die letzten Fans hatten gerade ihren Obolus entrichtet, als nach 180 Sekunden der erste Treffer in diesem tollen Topspiel fiel. Jubeln durften die Mauther, als der pfeilschnelle Angreifer Franz Lenz nach dem ersten TSV-Konter zum 0:1 vollstreckte. "Wir haben eine Ecke bekommen, die wurde abgefangen und wir haben uns von Mauth überrumpeln lassen", beschreibt Rudi Plötz die Entstehung des ersten Tores.

Mauther Franz Lenz trifft insgesamt drei Mal

Doch die Ruhmannsfeldener Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Plötz, der "Torjäger vom Dienst", schlug zweimal zu. Er besorgte zunächst den Ausgleich zum 1:1 (8. Minute) und kurz darauf die Führung zum 2:1 (14.). "Im Strafraum nicht lange gefackelt und zweimal aus kurzer Distanz eingenetzt", bringt der Goalgetter seinen damaligen Doppelpack auf einen kurzen Nenner. Trotz einiger Chancen auf beiden Seiten blieb es bis zur Pause in einem offenen Schlagabtausch beim knappen Vorsprung für den Tabellenführer. Die zweite Hälfte begann mit einem Paukenschlag. Noch in der 46. Minute düpierte Franz Lenz die erneut indisponierte Ruhmannsfeldener Defensive und setzte das Leder zum 2:2 in die Maschen. Die Spvgg war geschockt, agierte in dieser Phase überhastet und fing sich einen weiteren Konter ein, den Franz Lenz mit seinem dritten Treffer zum 2:3 (53.) verwertete.

Nichtsdestotrotz ließ Ruhmannsfelden nicht locker und bekam nach genau einer Stunde einen Foulelfmeter zugesprochen – eine harte Entscheidung des ansonsten tadellos leitenden Bayernliga-Schiedsrichters Günther Baumgartner (SV 22 Zwiesel). Rudi Plötz legte die Lederkugel auf den Punkt, trat an, aber Franz Gibis im Mauther Gehäuse parierte den Strafstoß. "Der Elfer war nicht schlecht geschossen, aber der Franz hatte die Ecke geahnt und super gehalten", schildert der Schütze die verpasste Ausgleichsmöglichkeit. Sieben Minuten später der nächste Rückschlag für die Spvgg: Schlussmann Franz Freisinger – der reaktivierte, frühere Jugendauswahlkeeper – stand in ein paar Spielen für Stammtorwart Helmut Biermeier zwischen den Pfosten – unterlief der einzige, jedoch folgenschwere Schnitzer, den er noch in allen Einzelheiten erzählen kann: "Es war ein Freistoß von Georg Eder, der von der halbrechten Seite in den Torraum segelte. Ich kam am kurzen Eck an den Ball, habe aber die raffiniert getretene Freistoßflanke mit den Fingerspitzen ins eigene Netz gelenkt – ich hätte im Boden versinken können."

200, 300 Zuschauer verließen Lerchenfeld-Sportplatz vorzeitig

2:4 nach 67 Minuten – Ruhmannsfelden schienen die Felle davonzuschwimmen. 200, 300 Zuschauer verließen daraufhin den Lerchenfeld-Sportplatz, doch sie sollten den voreiligen Schritt bereuen. Spielertrainer Sepp Reitbauer – der Sportlehrer an der damaligen Hauptschule Ruhmannsfelden hatte die Mannschaft nach dem Aufstieg in die A-Klasse übernommen – schickte Ludwig Kilger zum Warmmachen. Der Sturmtank hatte über 70 Minuten auf der Ersatzbank geschmort. "Ich war bei der Bundeswehr, bin direkt vom Truppenübungsplatz gekommen und wollte bei diesem Spitzenduell unbedingt von Beginn an spielen. Aber der Trainer hat mir erklärt, dass er die vorher siegreiche Elf nicht ändern will", grantelt noch heute der "Luck", der aber schon wenige Sekunden nach seiner Einwechslung ein Zeichen setzte. Kilger sprintete einem langen Ball nach und rasselte mit TSV-Torhüter Franz Gibis zusammen, der eine Ecke verhindern wollte.

Ruhmannsfelden übernahm das Kommando, drängte Mauth zurück. "Die Hausherren überrannten den Tabellenzweiten mit einer fantastischen Schlussoffensive", war einen Tag später im PNP-Sportteil zu lesen. 15 Minuten waren noch zu spielen, als Rudi Plötz, der in der Meistersaison sagenhafte 36 Tore erzielte, den 3:4-Anschlusstreffer besorgte. Danach ging es Schlag auf Schlag, ein Angriff nach dem anderen rollte auf das Gehäuse der Gäste zu, vor allem Ludwig Kilger war nicht mehr zu bremsen. Auch Verteidiger Franz Zollner, zu Saisonbeginn vom FC Zandt zur Spvgg gewechselt, schaltete sich ins Angriffsspiel ein, zog kurz vor dem Strafraum ab und der Ball zappelte zum 4:4-Ausgleich im Netz (78.). Mauth war konsterniert, während Ruhmannsfelden am Drücker blieb.

Drei Minuten vor dem Ende gab es eine Ecke für die Spvgg: Während sich der Rangzweite offenbar auf die kopfballstarken Ruhmannsfeldener konzentrierte, lauerte Viktor Stern am kurzen Pfosten. "Die Ecke kam maßgerecht und ich habe die Kugel per Kopf zum 5:4 ins lange Eck verlängert", erläutert der Spielmacher. Und Sekunden später folgte der fulminante Schlusspunkt: "Wir sind nach dem Mauther Anstoß mit zehn Mann in die gegnerische Hälfte gerannt, haben sofort attackiert und den Ball erkämpft", erzählen Rudi Plötz und Viktor Stern. Das Spielgerät landete beim 19-jährigen Helmut Brunner, der mit seinem starken linken Fuß aus etwa 18 Metern draufhielt und die Kugel zum frenetisch gefeierten 6:4 in den Torwinkel hämmerte.

Den ganzen Artikel lesen Sie am Samstag, 26. Februar, im Heimatsport der PNP (Online-Kiosk) – oder hier bei PNP Plus als registrierter Abonnent.