Kaderplanung ohne Koordinaten: Vor welchen Rätseln die großen Nachwuchsklubs stehen

20.04.2020 | Stand 19.09.2023, 1:33 Uhr

Als Ausbilder von Talenten ist die Spvgg Grün-Weiß Deggendorf in Niederbayern unangefochten. Mancher Spieler wollte im Juli den Sprung in eine Junioren-Bundesliga wagen – aber klappt das auch? −Foto: Müller

Jugendmannschaften im Fußball werden in mühsamer Arbeit zusammengewürfelt. Die Verantwortlichen, meist Jugendleiter oder Jugend-Koordinator genannt, führen etliche Telefonate und sichten Talente, ehe dann wirklich in jeder Mannschaft mindestens sechs oder elf Spieler/innen auf dem Platz und Trainer an der Linie stehen. In der Corona-Krise wird die Kaderplanung für überregional aktive Jugendvereine der Region zur noch größeren Herausforderung.

Wir haben bei der Spvgg GW Deggendorf, beim SV Schalding-Heining und bei der TuS Pfarrkirchen nachgefragt, wie man dort mit der aktuellen Lage zurechtkommt. Das Gesamtbild zeigt, dass die befragten Klubs durchaus vor Rätseln stehen und sich Planungssicherheit wünschen. Andererseits hat man die Hausaufgaben gemacht, was jetzt für die nötige Ruhe in den Vereinen sorgt.

Die Spvgg Grün-Weiß Deggendorf ist Niederbayerns Ausbilder-Klub Nummer 1. Jedes Halbjahr schließen sich manche der jungen Kicker einem Bundesliga-Leistungszentrum an oder machen andernorts den nächsten Schritt. Gerade was Transfers betrifft, ist die Situation absolut undurchsichtig, erzählt Sport-Koordinator Andreas Schäfer, der die Leistungsmannschaften verantwortet (U12 bis U19). "Wir haben einen Spieler, der einen Vertrag bei einem anderen Verein unterschrieben hat und in eine Jugend-Bundesliga wechseln möchte, wahrscheinlich zum 1. Juli. Wechselt der dann zu diesem Zeitpunkt oder wird das Transferfenster verschoben? Spielt er die Saison noch bei uns fertig und wechselt dann irgendwann Ende des Jahres? Verlässt er uns noch während der Saison?" Fragen, die derzeit niemand seriös beantworten kann. Grundsätzlich ist Andreas Schäfer der Meinung, dass die Saison im Jugendfußball daher annulliert werden sollte – "sonst tragen wir das Problem ja bis in die nächste Saison rein. Die Jugend startet sowieso immer spät, daher wäre das meines Erachtens die beste Lösung."

Klaus Mörtlbauer vom SV Schalding-Heining schlägt ähnliche Töne an. "Man kann gar nicht planen", sagt der Nachwuchskoordinator in aller Deutlichkeit. Bevor nicht sichergestellt sei, dass die Gesundheit aller Beteiligten – Spieler, Trainer, Schiedsrichter, Betreuer, Zuschauer – nicht gefährdet ist, brauche man an Fußball auch gar nicht zu denken. "Ich gehe davon aus, dass es 2020 ganz schlecht ausschaut mit Fußball." Mit Sicherheit rechnet Klaus Mörtlbauer mit einem Trainer-Engpass im Schaldinger Jugendbereich: "Einer baut ab Juli Haus, ein anderer renoviert sein Haus. Sie sagten uns schon im Winter, dass sie danach nicht weitermachen. Die werden nicht sagen: Ach, der Hausbau steht jetzt mal hinten an." Gespräche mit Nachfolgern sind in der jetzigen Zeit unmöglich, weil nur spekuliert werden kann und nur wenige Fakten auf dem Tisch liegen. Es wäre aus seiner Sicht daher "vernünftiger, alles zu annullieren. Meiner Meinung nach kann man den Jugend- und Herrenfußball aber dabei nicht trennen."

Bei der TuS Pfarrkirchen zeigt man sich etwas gelassener. Die Kaderplanung wurde größtenteils im Winter abgeschlossen, auch hier haben die Trainer daran ihren Anteil. Eingestellt wurde allerdings das Werben um Neuzugänge, erzählt Jugendleiter Max Rothlehner. "Ich glaube, dass mehr Probleme auf uns zukommen. Mit einer Annullierung könnte ich mich durchaus anfreunden, aber warten wir mal ab."

Aus Sicht von Roland Bilz, Jugendleiter des 1.FC Passau, könne die Krise eine Chance für den Amateurfußball als ganzes sein. "Ich wünsche mir, dass sich wieder eine Demut entwickelt. Dass ein Spieler für einen Verein spielt, weil er gern für ihn spielt – und nicht, weil es irgendwo 200 Euro mehr gibt." Die Passauer selbst haben sich ihrerseits Gedanken gemacht, ob sich der eigene Umgang mit Jugendspielern verändern sollte. "Der Fokus lag für uns als NLZ immer sehr auf dem Erfolg. Dann hat man zu manchen gesagt: Ja, kannst schon mitkicken. Das war nicht optimal, denn vielleicht ist ein Spieler in der U13 mittelmäßig und explodiert dann in der U14. Wir wollen Spielern mehr Zeit geben", erklärt Roland Bilz. Zudem möchte man Spielern mehr Möglichkeiten geben, sich in einer höheren Altersklasse im Training zu beweisen. Die Kader der Jugendmannschaften sind auch zu Beginn der neuen Saison vollständig – "Stand heute", betont Bilz, der den Umstand bedauert, dass Vereinswechsel meist eine Woche vor Transferschluss und abrupt passieren. Die Cheftrainerpositionen sind ebenfalls vollständig besetzt, wie ein Gespräch zur Kaderplanung am Dienstag ergab.

Das heißt auch, dass ein Nachfolger von Axel Dichtl als U19-Trainer feststeht: Jiri Dvorak, ein Fußballlehrer, wird zur neuen Saison übernehmen und von der U17 aufrücken. Sollte die aktuelle Spielzeit fertig gespielt werden, wird Ex-Sportdirektor Mario Tanzer wie gehabt den Interimstrainer der U19 geben.