Buchbachs neuer Trainer Marcel Thallinger: "Es hat von Anfang an gepasst"

23.12.2021 | Stand 23.12.2021, 11:52 Uhr

Applaus, Applaus: Marcel Thallinger coacht erst seit Sommer in der Regionalliga. Seine Mannschaft, der TSV Buchbach, steht zur Winterpause auf Platz 6. −Foto: Michael Buchholz

Marcel Thallinger (36) führte den SSV Eggenfelden von der Kreisliga in die Landesliga, im Sommer machte er einen (Karriere-) Sprung, trainiert jetzt den Regionalligisten TSV Buchbach. Ein Gespräch über Erwartungen, Erfahrungen und Erfolge beim Dorfklub.

Marcel, ein aufregendes halbes Jahr liegt hinter Dir. Wie schnell bist Du in Deiner neuen Aufgabe in der Regionalliga angekommen und wie wurdest Du in Deinem neuen Umfeld aufgenommen?
Marcel Thallinger: Sowohl die Mannschaft, die sportliche Leitung, der Staff, als auch der ganze Verein haben mich von Beginn an enorm gut aufgenommen. Mit meinem Trainerkollegen Andreas Bichlmaier sowie mit den beiden sportlichen Leitern Anton Bobenstetter und Georg Hanslmaier hatte ich im Vorfeld bereits viele vorbereitende Gespräche. Hierbei haben wir schnell gemerkt, dass wir auf einer Wellenlänge sind – es hat also von Anfang an gepasst. Hinzu kommt, dass ich auf eine sehr wissbegierige Mannschaft getroffen bin, die Bock auf meine Spielidee hat. Daher war die Eingewöhnungsphase in vielerlei Hinsicht sehr kurz.

Buchbach ist eine der positiven Überraschungen der Saison. Ihr habt Euch mit einer sehr jungen Truppe oben festgesetzt und seid nur sehr schwer zu schlagen. Wie zufrieden bist Du mit dem bisherigen Saisonverlauf?
Thallinger: Im Vorfeld habe ich gewusst, dass Buchbach sehr gute Voraussetzungen und ein stabiles Fundament bietet, um etwas entwickeln zu können. Die Mannschaft ist gespickt mit vielen jungen, entwicklungsfähigen Spielern, verfügt aber dennoch über eine sehr gute Altersstruktur. Zudem hat die Mannschaft schnell das umgesetzt, was wir ihnen als Trainerteam vorgegeben haben. Wir können daher sowohl mit der tabellarischen Situation als auch dem Entwicklungsstand der Mannschaft sehr zufrieden sein. Dass die Jungs den Ansatz trotz der enorm kurzen, gemeinsamen Sommervorbereitung von nur zwei Wochen, aufgrund des vorausgehenden Ligapokals aus der alten Saison, so schnell umsetzen konnten, hat mich schon überrascht. Das spricht aber für die große Auffassungsgabe und die absolute Lernbereitschaft der Mannschaft.

Der Zug sowohl ganz nach vorne, als auch nach hinten scheint so gut wie abgefahren zu sein. Welche Ziele setzt Ihr Euch für den Rest der Saison?
Thallinger: Unser Ziel ist es, die Spieler jetzt intensiver und mehr im Detail an die Spielidee heranzuführen. Dafür wollen wir die anstehende, längere Vorbereitungszeit nutzen und viele Dinge verfeinern. Im Laufe der Rückrunde werden wir aber sicher auch mit Blick auf die kommende Saison bereits neue Dinge ausprobieren, um uns in gewissen Punkten gezielt weiterzuentwickeln. Zudem wollen wir unsere Spielweise vor allem im Positionsspiel flexibler gestalten und im Anlaufverhalten noch variabler werden. Das grundlegende Ziel in Buchbach ist immer der Klassenerhalt, der hat absolute Priorität. Mit den Voraussetzungen, die viele Konkurrenten teilweise unter Profi-Bedingungen mitbringen, kann man nicht mithalten. Dahinter geht es für einen Großteil der Teams daher um den Klassenerhalt und von denen wollen wir die Besten sein. Wenn man also für den Rest dieser Saison ein handfestes Ziel formuliert, wollen wir die beste Amateurmannschaft der Liga werden. Die ersten drei Plätze belegen derzeit drei Profi-Mannschaften, Illertissen und Aubstadt sind aber durchaus in Schlagdistanz.

Man könnte sagen, dass es "nur" noch um die goldene Ananas geht. Wie motiviert Ihr dennoch die Spieler Woche für Woche, an ihre Grenze zu gehen und nicht nachzulassen?
Thallinger: Es geht im Endeffekt nie um die goldene Ananas, da man sich als Fußballer immer verbessern will. Daher mag ich den Ausdruck im Zusammenhang mit Fußball auch nicht besonders, da die Weiterentwicklung des Einzelnen unabhängig von einer Tabellenkonstellationen ist. Darüber hinaus haben unsere Jungs aber ohnehin eine große Eigenmotivation und wollen sich Woche für Woche zeigen. Sie haben sich bewusst für einen Weg entschieden, der ihnen einiges abverlangt und gehen die Sache daher auch entsprechend entschlossen an. Zudem darf man den Konkurrenzkampf auch nicht außer Acht lassen, der einen gewissen Teil dazu beiträgt, dass jeder in jeder Einheit und in jedem Spiel an seine Grenzen geht.

Buchbach gilt als absoluter Zuschauermagnet und die Heimspiele sind etwas Besonderes. Was war Dein bisheriges Highlight?
Thallinger: Mein größtes Highlight war nicht ein bestimmtes Spiel, sondern die Tatsache, dass die Jungs die neuen Inhalte so schnell umgesetzt haben. Daraus resultiert, dass wir nun einen Fußball spielen, den die Leute gerne anschauen und auf den sie sich freuen. Wenn man als Trainer mit einem spielerischen Ansatz dieses Feedback aus Zuschauerkreisen bekommt, dann freut das einen schon sehr. Es gab aber natürlich auch sehr besondere Spiele im letzten halben Jahr – und das Spiel gegen 1860 war sicherlich eines davon. Die Hütte war restlos ausverkauft und vor allen Dingen haben wir in der 1. Halbzeit Sechzig über weite Strecken dominiert. Das bleibt rückblickend sehr positiv hängen. Ebenso war das Spiel gegen den FC Bayern II ein Highlight. Der Moment, als Ali Petrovic in der 70. Minute den 2:1-Führungstreffer erzielt, bleibt unvergessen. Das Stadion hat gebebt – ein richtiger Gänsehautmoment. Leider haben wir den Sieg nicht über die Zeit gebracht, wobei auch das Schiri-Gespann nicht die glücklichste Figur abgegeben hat. Das hat mich schon sehr gewurmt.

In der Öffentlichkeit wird Buchbach oftmals als Dorfklub wahrgenommen und der Verein spielt ja mit diesem kultigen Image. Wie viel Dorfklub steckt wirklich in dem Regionalligisten?
Thallinger: Die DNA des Vereins ist klar: Enorm viele Leute leben diesen Verein und stecken wahnsinnig viel Herzblut hinein. Es ist in der Regionalliga sicher nicht alltäglich, dass die Vielzahl an Ehrenamtlichen, von den Betreuern, über die Griller, bis hin zu den Verkäufern in den zahlreichen Getränkeständen einerseits mit enormer Tatkraft und Freude den Spieltag gestalten, darüber hinaus aber auch bei Umbaumaßnahmen und sonstigen Projekten immer anpacken. Es gibt keinen einzigen Hauptamtlichen in diesem Verein und alles fußt auf dem Engagement der Leute, ohne die der Aufwand in der Regionalliga gar nicht zu stemmen wäre. Man kann durchaus sagen, dass in Buchbach die Ehrenamtlichen wichtiger als ein Trainer oder einzelne Spieler sind. Sie stellen das Rückgrat und den Motor des Vereins dar, was somit auch sicherlich einen Dorfklub inmitten einiger Profiklubs auszeichnet.

Man liest immer wieder von der Bedeutung von Urgestein Aleksandro Petkovic. Wie wichtig ist er für den Erfolg Deiner Mannschaft?
Thallinger: Ali ist eine absolute Führungspersönlichkeit und, dass er sowohl mit seiner Leistung vorangeht als auch die jungen Spieler auf dem Platz führt, ist ja längst bekannt. Was ihn aber besonders auszeichnet, ist seine enorm hohe Sozialkompetenz und sein sehr gutes Gespür für die Situation. Er nimmt sich beispielsweise Spielern an, die gerade weniger Spielzeit bekommen und stärkt sie, wenn es gerade mal nicht so gut läuft. Er hat immer für jeden ein offenes Ohr, findet zudem oft zum richtigen Zeitpunkt lobende Worte. Er weiß aber auch wann es nötig ist, sich mal kritisch zu äußern. Seine fußballerische Klasse ist ohnehin unbestritten und auch die Kommunikation zwischen ihm als Kapitän und uns als Trainerteam ist großartig.

Hat es Dich überrascht, dass sich Daniel Muteba, der mit Dir aus Eggenfelden nach Buchbach gekommen ist, direkt als Stammkraft etablieren konnte?
Thallinger: Dabo hat sehr viel Potential, das habe ich natürlich genauso wie die Buchbacher Verantwortlichen gewusst. Häufig ist es so, dass Spieler, die mehrere Spielklassen überspringen rund ein halbes Jahr Anpassungszeit benötigen. Dass er sich so schnell in die Mannschaft reingespielt hat, zeugt noch mehr von seinem großen Potential und er ist allgemein eine sehr positive und erfrischende Komponente in der Mannschaft.

Du bildest mit Andreas Bichlmaier ein gleichberechtigtes Trainerduo. Eine derartige Konstellation findet man nicht oft und birgt sicher auch Konfliktpotential. Wie läuft es bei Euch konkret ab, wie kann man sich die Zusammenarbeit vorstellen? Habt Ihr die Kompetenzfelder klar abgesteckt?
Thallinger: Grundsätzlich bietet diese, meiner Meinung nach moderne und innovative Trainer-Lösung viele Vorteile. Biche und ich ergänzen uns nahezu perfekt und sind sowohl fachlich als auch menschlich auf einer Wellenlänge. Wir verbringen natürlich sehr viel Zeit miteinander, da ist das schon auch eine gute Grundvoraussetzung (lacht). Es ist klar, dass man in Detailfragen auch mal unterschiedlicher Meinung ist. In der Diskussion wird dann abgewägt und am Ende stets eine gemeinsame Entscheidung getroffen. Biche ist ein überragender Kommunikator, ein absoluter Ruhepol und als Trainer-Kollege für mich ein enorm wichtiger Ansprechpartner. Unsere Aufgaben haben wir schon gewissermaßen abgesteckt, dennoch gibt es hier aber einen fließenden Übergang. Mein Schwerpunkt ist mehr das Spiel mit dem Ball und Andi legt den Fokus dagegen mehr auf das Spiel gegen den Ball. Im Endeffekt bedingt das Eine aber das Andere und der Matchplan oder auch die Trainingsgestaltung wird unter Berücksichtigung beider Aspekte gemeinsam erarbeitet.

Fünf Trainingseinheiten plus ein Spiel pro Woche sind keine Seltenheit bei Euch – ist das Leben als Regionalliga-Trainer mit einem Vollzeitjob eigentlich noch richtig zu vereinbaren?
Thallinger: Es macht mir enorm viel Spaß, dass ich mich so viel mit Fußball beschäftigen und eine Mannschaft in der höchsten Amateurliga trainieren kann – das ist natürlich ein Privileg. Aber klar, es ist schon ein großes Investment, das du tätigen musst. Urlaub und Überstunden, hier geht schon viel drauf. Wir sind keine Profis und am Ende muss es Spaß machen. Daher ist ein gutes Selbstmanagement sehr wichtig und du musst dir selbst auch gezielt Fußballpausen nehmen. Beispielsweise schau ich unter der Woche relativ selten die Champions League, weil man auch einfach mal einen gewissen Abstand zu der ganzen Thematik gewinnen muss.

Wir würdest Du Deine Spielphilosophie beschreiben? Und passt ein Trainer diese auf seine Spieler an?
Thallinger: Mir ist es wichtig, dass wir in jeder Spielphase dominant auftreten. Mir macht es Spaß, den Gegner zu kontrollieren und den Faktor Zufall, der im Fußball kein unwesentlicher ist, durch die Kontrolle des Geschehens und des Gegners mehr auf unsere Seite zu ziehen. Konkret legen wir den Fokus darauf, dass wir Tempofußball mit einem guten Positionsspiel verbinden wollen. In meiner Vorbereitungszeit auf die neue Aufgabe habe ich schon gemerkt, dass die Mannschaft über sehr viel Tempo verfügt. Darauf habe ich meine Spielidee auch ein Stück weit adaptiert und optimiert, um die Stärken der Mannschaft zielführend einsetzen zu können. Wir wollen weniger mit langen Bällen agieren, sondern über ein gepflegtes, sauberes und schnelles Kurzpassspiel den Ball ins Angriffsdrittel bringen. Zudem ist es wichtig, dass die Spieler innerhalb einer Positionsgruppe gut aufeinander abgestimmt sind, miteinander harmonieren und sich ergänzen. Die Stärken sollen sich summieren, sodass jeder die maximale Leistung auf den Platz bringen kann.

Hat sich Deine Spielidee, Dein Agieren als Trainer oder auch allgemein Dein Trainerjob mit der neuen Aufgabe in der Regionalliga verändert? Oder ist das ligaunabhängig?
Thallinger: Die grundlegenden Vorstellungen und Prinzipien, die ich vermitteln will, sind die gleichen und gelten ligaunabhängig. Die Ansprache und das Detailcoaching muss man jedoch durchaus an seine Spieler und die einzelnen Charaktere anpassen. Hier gilt es, die Kanäle der Spieler zu aktivieren und dafür muss man ein entsprechendes Feingefühl entwickeln.

Verfolgst Du einen konkreten Karriereplan? Schielst Du auf den Schritt in den Profibereich oder würde auch ein NLZ für Dich in Frage kommen?
Thallinger: Wenn du in der höchsten Amateurliga als Trainer arbeitest und es dort gut läuft, dann willst du mittelfristig natürlich auch mehr. Wichtig ist aber, dass man in dieser Hinsicht eine gewisse Gelassenheit an den Tag legt und man sich bewusst ist, dass man nichts erzwingen kann. Du kannst natürlich auch schnell an den Punkt kommen, an dem es nicht mehr läuft – der Fußball ist auch im Amateurbereich ein schnelllebiges Geschäft. Ganz allgemein stellen höhere Altersstufen in einem NLZ natürlich auch eine sehr reizvolle und attraktive Möglichkeit dar – hier will ich per se nichts ausschließen.

Welche Rolle spielt der Zufall, Glück oder auch die richtigen "Connections" bei einer erfolgreichen Trainer-Karriere?
Thallinger: Das wichtigste im Fußball ist das Timing. Die Gesamtkonstellation aus Verein, Spieler und Trainer muss passen. Natürlich ist auch ein gutes Netzwerk von Vorteil, genauso wie es im Leben oder im Beruf eben auch ist. In der aktuellen Liga lernt man viele spannende und fußballverrückte Leute kennen – diesen Austausch genieße ich schon sehr, bin jetzt aber nicht dahinter, mir gezielt für die Zukunft ein Netzwerk aufzubauen. Zur richtigen Zeit in der richtigen Konstellation zu arbeiten, ist hier aus meiner Sicht viel wichtiger.

Wie würdest Du Dich als Trainer-Typ beschreiben?
Thallinger: Ich habe meine Prinzipien, nach denen ich auch handle und auftrete. Es ist als Trainer aber oftmals auch eine Gefühlssache, was die Mannschaft in gewissen Momenten gerade braucht. Es ist sehr wichtig, hier ein gutes Gefühl zu entwickeln und sich selbst auch regelmäßig zu reflektieren. Als Trainer ist es deine Aufgabe die optimalen Rahmenbedingungen zu schaffen, dass sich die Spieler weiterentwickeln können. Da muss man die Kommunikation auch immer wieder an bestimmte Situationen anpassen, ohne dabei aber seine Prinzipien über Bord zu werfen.

Hast Du als Trainer ein Vorbild, an dem Du Dich im Auftreten oder an der Spielidee orientierst?
Thallinger: Ein Vorbild habe ich nicht direkt. Klar schaust du dir von dem einen oder anderen etwas ab, orientierst dich gewissermaßen und versuchst heraus zu filtern, was dir gut oder weniger gut gefällt. Wichtig ist, dass man seinen eigenen Stil verfolgt und seine Authentizität beibehält.

Du galtest bereits als Spieler als sehr ehrgeizig. Mit welcher Aussicht bist Du vor vier Jahren in deine Trainer-Karriere gestartet?
Thallinger: Ich wollte meine Vorstellung von Fußball vermitteln und meine Spielidee erfolgreich auf den Platz bringen. Das hat sich bis jetzt nicht geändert – und wird sich auch in Zukunft nicht ändern.

Deinen Ex-Verein, den SSV Eggenfelden, hast Du von der Kreisliga in die Landesliga geführt. Was traust Du den Rottalern in den kommenden Jahren noch zu?
Thallinger: Der SSV hat großes Potential. Ralf Rangnick hat einmal das Prinzip der drei K‘s aufgestellt, die für den Erfolg essenziell sind: Konzept, Kompetenz und Kapital. Ich denke, dass dies auch gewissermaßen in der Landesliga zutrifft – das eine mehr, das andere weniger. Wenn es der SSV schafft, hierin über längeren Zeitraum eine gute Balance zu finden, wovon ich überzeugt bin, dann wird sich der Verein in der Landesliga und perspektivisch in den kommenden Jahren dort auch im vorderen Tabellenbereich etablieren können.

Und zum Abschluss die wichtigste Frage: Was macht für dich den Amateurfußball so besonders?
Thallinger: Im Vergleich zum Profifußball ganz klar das Soziale und der Ausgleich zum Alltag. Es hat schon einen großen Charme, wenn man mit seinen Freunden Zeit verbringen und kicken kann.

Interview: Lukas Hummelsberger