"Zum Scheitern verurteilt"
Absturz tief in die Niederungen des Amateursports: Ein Kommentar zur Türkgücü-Insolvenz

01.02.2022 | Stand 19.09.2023, 3:08 Uhr

Präsident und Investor Hasan Kivran – ist sein Projekt Türkgücü München gescheitert? −Foto: Verein

Türkgücü München wollte mal die Rangordnung in der bayerischen Landeshauptstadt ändern. FC Bayern, Türkgücü und erst dann der TSV 1860 München.

Das war zumindest einmal der Wunsch von Präsident und Investor Hasan Kivran. Die Realität für den ersten Migrantenverein im deutschen Profi-Fußball sieht eineinhalb Jahre nach dem Aufstieg in die 3. Liga so aus: Türkgücü München ist zahlungsunfähig und hat Insolvenzantrag gestellt. Ein Projekt scheint am Ende – und es war von Beginn an zum Scheitern verurteilt, findet DK-Redakteur Christian Rehberger, der das Desaster beim Drittligisten kommentiert hat.

Kommentar

Es ist genau ein Jahr her, da war an dieser Stelle schon zu lesen: Das Projekt Türkgücü München wird eher früher als später verschwinden. Denn es war schon lange zum Scheitern verurteilt. Mit dem Insolvenzantrag vom Montag ist dieser Punkt eindrucksvoll erreicht. An eine Rettung im Insolvenzverfahren für den selbst erklärten Aufstiegskandidaten auf den Abstiegsplätzen der 3. Liga kann wirklich niemand glauben.

Bei einer Unterdeckung von angeblich fast zwei Millionen Euro lautet doch die Frage: Welcher Retter sollte sich das antun? Und warum? Wem sollte Türkgücü eine so große Herzensangelegenheit sein? Eine gute Anlage für Investoren scheint der Klub kaum zu sein, eher Kassengift. Kein eigenes Sportgelände, kein sportlicher Unterbau – ja noch nicht einmal nennenswert Fans. Im Sommer scheiterte ein geplanter Börsengang, weil kaum jemand die Aktien zeichnen wollte.

Türkgücü war schon immer eine Kopfgeburt des überambitionierten Geschäftsmanns Hasan Kivran, die sich jetzt sogar als Sturzgeburt herausstellt. 2023 sollte der Klub nach den eigenen Vorstellungen in die 2. Bundesliga vorstoßen. Ein Absturz tief in die Niederungen des Amateursports wird es werden. Angetreten war Kivran großspurig, um die Nummer zwei der Stadt zu werden, hinter dem FC Bayern, vor den Sechzigern. Entsprechend gewaltig türmte sich die Abneigung im Lager der Löwen auf; Häme über das mutmaßliche Aus des Rivalen gibt es nun zuhauf.

Aber als Durchlauferhitzer für Spieler und Trainer, mit juristischen Klagen gegen Konkurrenten und Scharmützeln mit der Stadt München taten die Verantwortlichen von Türkgücü auch alles, um die Sympathien weit weg von sich zu halten. Der Plan, die türkische Gemeinde im Sturm zu erobern, misslang völlig. Mit dem Durchmarsch von der Landesliga in den Profibereich ließen sich alle Aktionen rechtfertigen. Doch die sportliche "Hire and Fire"-Mentalität funktioniert eben nur bis zu einer bestimmten Ebene. Und die ist maximal die 3. Liga, wo selbst seriös geführte Klubs ihre Schwierigkeiten haben.

Von Türkgücü wird zuvorderst der Exzentriker Kivran in Erinnerung bleiben, der vor Jahresfrist mit seinem Abschied kokettierte – und ihn nach einem wieder mal schnellen Sinneswandel verwarf; ein Geschäftsgebaren, das Bände spricht. Dieses Projekt Türkgücü, so hart muss man es formulieren, wird Fußball-Deutschland mit Sicherheit nicht fehlen.