Oliver "Chappy" Czapko ist die Stimme der Black Hawks: "In der Arena sieht man mein anderes Gesicht"

15.02.2017 | Stand 18.09.2023, 21:53 Uhr

Die zwei Welten des Oliver Czapko: In voller Fan-Montur als Rampensau in der Passauer EisArena und ... − Fotos: Munzinger / stock4press

Kurz ist alles ganz still in der Passauer Eis-Arena. Die Halle wird abgedunkelt, die Nebelmaschine hüllt das Spielfeld in Dunst. Dann kommen die Eishockeyspieler der EHF Black Hawks, einer nach dem anderen. Jetzt beginnt das große Toben, die knapp 750 Fans verwandeln die Arena in ein Tollhaus. Mittendrin ist einer, der keine Schlittschuhe anhat und keinen Schläger hält. Dafür baumeln Fanschals an seinen Händen, er trägt dasselbe Trikot wie die Spieler, dazu noch eine Fan-Schirmmütze. Vor allem aber hat er seine Stimme, die lauteste im Verein. Oliver "Chappy" Czapko (34) schreit den Namen jedes einzelnen Spielers, und die Fans schreien mit. Sie fressen ihm die Stimmung aus den Händen. Er, der Stadionsprecher, ist der Zeremonienmeister, der das rituelle Tosen koordiniert und den Hexenkessel punktgenau zum Überlaufen bringt.

Die Mannschaftsvorstellung ist sein erstes Highlight, übertroffen nur von den gebrüllten Ritualen, wenn ein Tor fällt und er die Namen von Vorlagengeber und Torschütze zelebriert: "Tor für die Passau..." und die Fans schreien "Black Hawks!" Dann kommen der Vorlagengeber, Vor- und Nachname und dann der Torschütze. "Den schreien wir dann dreimal. Am Ende schreie ich ’Danke!’, mit der Antwort ’Bitte!’" Es sind die Momente, in denen er als Stadionsprecher, der ja auch schweren Herzens die Tore der Gegner durchsagen muss, seine Neutralität, die er als "Krux des Berufs" bezeichnet, ablegen darf.

In allem, was man sagt, spürt man seine Zuneigung zu diesem Verein, für den er erst als Zeitnehmer, dann als DJ und seit bald neun Jahren ehrenamtlich als Stadionsprecher arbeitet. Zusätzlich ist er seit 2015 Pressesprecher und im Vereinsbeirat. Seine laute Stimme hat nicht nur auf dem Spielfeld Gewicht.

Wer Czapko nicht in der Eis-Arena, sondern in seinem Büro sieht, könnte meinen, dass hier ein anderer Mensch sitzt. Tagsüber geht Czapko, der als Stadionsprecher zur Rampensau und Stimmungskanone mutiert, einem "ganz normalen" Beruf nach, ist kaufmännischer Leiter einer Firma für Schutzbekleidung. Die vor Vereinstreue starrende Kluft aus der Eis-Arena tauscht er im Büro gegen eine Mischung aus seriös und leger. Hinter seinem Schreibtisch hängt ein tropisches Wasserfallbild, vor ihm eine gemalte Impression von London. Warm ist’s hier drin.

Von Schnee und Eis keine Spur, auch keine Black-Hawks-Poster, keine Eishockey-Devotionalien. Sein Leben im Büro wolle er streng von seiner Leidenschaft als Stadionsprecher trennen, sagt er. Er ist freundlich, höflich, lacht viel, aber vor allem wirkt er ruhig und gelassen, laut wird er nie. Darauf angesprochen, muss er grinsen: "Total unterschiedlich, ich weiß. Gott sei Dank, das wäre ja sonst ein Wahnsinn. Wenn ich die Emotionen im Büro zeigen würde, wäre ich in Schwierigkeiten. Aber in der Arena sieht man dann mein anderes Gesicht." Er will auch im Büro keine Kostprobe seiner Kunst geben, obwohl er kurz so wirkt, als würde er ganz gerne etwas brüllen: "Aber wie erkläre ich das dem Chef?", fragt er fast entschuldigend.

Der Passauer hat erst kürzlich eine wahre Eishockey-Schlacht überstanden, in der "seine" Black Hawks im Abstiegskampf nur knapp den Mammuts aus Schongau unterlagen. 1:2 hieß es am Ende, das Schiedsrichtergespann verteilte dabei 66 Strafminuten, zwei Spieler durften vorzeitig duschen. Die Niederlage nagt noch ein wenig an ihm, aber es sei halb so wild. Das Team habe gekämpft und gebissen, den Spielern könne er keinen Vorwurf machen.

Viel schlimmer sei es, wenn er spürt, dass einige nicht an ihre Grenzen gehen, so wie bei der schmerzhaften 1:7-Niederlage gegen Memmingen. Die Erinnerung tut weh, sein Blick spricht Bände. "Sowas ist einfach...", er schüttelt den Kopf, blickt auf die Tischplatte, "sowas nagt an einem."

Wenigstens war die knappe Niederlage gegen die Mammuts ein Beispiel dafür, warum er das Eishockey so liebt: "Leidenschaft, Action und Stimmung." Eishockey ist ein Sport, in dem ein markerschütterndes Tackling mitunter so laut bejubelt wird wie ein Tor, außerdem sei immer etwas los: "Anders als beim Fußball gibt es hier keinen Leerlauf, es ist nie langweilig." Der größte Vorteil sei die geschlossene Halle, in der sich die Stimmung wie in einem Druckkochtopf verdichtet. "Da muss man im Fußball schon nach Dortmund schauen, um was Vergleichbares zu finden."

Diese Stimmung war es, die die Liebe zum Sport in ihm entfacht hat, damals, als er in Neukirchen am Inn seine Kindheit verbrachte. Der Pfarrer, Leiter eines Eishockey-Fanclubs, hatte ihn damals zu seinem ersten Spiel mitgenommen. Seither ist Eishockey ein wichtiger Teil seines Lebens. Seine erste große Liebe? Die "Red Bulls" aus München: "Das ist der Verein meines Herzens. Ich habe bei den Red Bulls sogar eine Dauerkarte." Als habe er Angst, man könne ihn falsch verstehen, fuchtelt er aufgeregt mit den Händen und setzt lachend zum Nachschuss an: "Nummer 1 ist natürlich der eigene Verein, die Black Hawks, aber man hat eben auch in der obersten Liga einen Favoriten."

Mittlerweile ist Eishockey nicht mehr seine größte Liebe. Die gilt seiner Frau und der Tochter, die das Paar erwartet. Könnte es da nicht zu Streit kommen, wenn er sich so viel mit seinem Verein beschäftigt? Fehlanzeige. "Gott sei Dank ist meine Frau auch eishockeybegeistert und Red Bulls Fan, das ist das große Glück. Sie sitzt sogar neben mir bei den Black Hawks-Spielen, als Punktrichterin." Durch das Eishockey haben sie sich überhaupt erst kennen gelernt, bei einer Auswärtsfahrt nach Regensburg, bei der sie als Fan dabei war. Für ihn war es Liebe auf den ersten Blick, sie jedoch habe ihn "etwas zappeln lassen am Anfang. Das hat auch gar nicht geschadet, glaube ich. Jetzt passen wir umso besser zusammen."

Der einzige Punkt, in dem sich die Czapkos nicht ganz einig sind, ist der Name der Tochter. Klar ist, dass das Kind die Leidenschaft der Eltern teilen soll: "Schlittschuhe in Größe 25 liegen schon daheim für die Kleine. Also mit knapp zwei Jahren soll’s losgehen." Sobald sie laufen kann also. Und Czapko, macht er als Vater weiter bei den Black Hawks? "Auf jeden Fall. Solange die Füße tragen."

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