Kardinalfehler, Geld-Gerüchte und Spielerfrauen: Jetzt spricht Wettberg

11.04.2014 | Stand 11.04.2014, 10:11 Uhr

Zeugnisse vergangener Triumphe im Rücken lächelt Karsten Wettberg in die Kamera. Bayernliga-Meisterschaften mit vier verschiedenen Clubs machen den Niederbayern zum erfolgreichsten Trainer des bayerischen Amateurfußballs.

Karsten Wettberg (72) gilt als der erfolgreichste Trainer im bayerischen Amateurfußball. Vom Sportbezirk Niederbayern wird er nun mit dem "Joska" fürs Lebenswerk ausgezeichnet. heimatsport.de hat Wettberg in seiner Heimat in Elsendorf im Landkreis Kelheim besucht.

Karsten Wettberg über...

...seine schmerzvolle Liebe zum TSV 1860: Da ist eine Bindung da, wie sie in Niederbayern, besonders im Bayerischen Wald, häufig zu finden ist. Da sind noch immer ein, zwei Generationen da, die ganz stark, ganz treu, ganz ehrlich zu 60 stehen. Aber das ruht. Mit sportlichen Erfolgen könnte man das ganz schnell wiedererwecken. Aber 60 hat halt Kardinalfehler gemacht. Sie wollten so werden wie Bayern. Doch wenn ich ein Original sein will, darf ich keine Kopie werden. Nein, ich muss bodenständig bleiben, so weit das noch möglich ist in der heutigen Zeit. Ein eigenes Stadion gehört unbedingt dazu. Man hätte nie mit den Bayern gemeinsame Sache machen dürfen. Wie man diesen unseligen Vertrag hat unterschreiben können... Das sind fünfeinhalb Millionen, die du jedes Jahr bezahlen muss. Da darf man auch nicht dem FC Bayern den Vorwurf machen. Das ist so, wie wenn ein Hartz-IV-Empfänger und ein Millionär gemeinsam ein Haus bauen, und jeder soll das Gleiche zahlen. Wie soll das gehen?

...über die Fehler der Sechzger: Wenn man solch krasse Fehler in der Transferpolitik macht, indem man einen Stefan Aigner gehen lässt, einen Ur-Sechzger fast vom Hof jagt, dann ist das bitter. Und beim Daniel Halfar war’s noch viel schlimmer. Es ist kein Scoutingsystem aufgebaut. Vereine wie Paderborn und Greuther Fürth machen uns vor, wie es geht. Den Alban Meha, der jetzt in Paderborn spielt, den habe ich ihnen vor drei Jahren angeboten. Es sind genug Ehemalige da, so dass der Aufbau einer professionellen Scoutingabteilung nicht das Geld kosten würde, wie man glaubt. Ein Willi Bierofka würde sofort mitarbeiten, wenn man ihn fragt, oder ein Michael Hofmann. Und das würde viele Fehlentscheidungen verhindern. Ich sage halt immer, es gibt auch den zweiten Weg. Es gibt keinen Grund, einen wie den genannten Meha, der aus der Regionalliga kommt, zu belächeln. Man braucht sich doch nur den Andre Hahn in Augsburg anzuschauen. Der Markus Gallmaier aus Deggendorf hat durchaus die Anlagen gehabt, da hat man auch gezögert, dann hatte er diese schwere Verletzung, aber solche Spieler sehe ich immer wieder.

...über Niederbayern und seine Fußball-Qualitäten: Ich glaube schon, dass wir Niederbayern Werte vorweisen können, die im Fußball was zählen. Bodenständigkeit und Verlässlichkeit haben eben was mit Zielgerichtetheit zu tun. Und so was brauche ich genauso wie das nötige Talent. Was haben die mich ausgelacht in Regensburg, als ich den Herbert Altmann geholt hab. Und dann hat der jedes Spiel gemacht in der Regionalliga - das war damals dritte Liga! Das sind halt starke Charaktere. Oder der Zellner Tobi. Auch der Markus Weinzierl ist ja so ein Typ. Auch ein Reinhold Traxinger hätte Profi werden können, wenn er früher angefangen hätte. Ich muss solche Leute einfach bewundern. Der ist oft vom Lastwagen runter und rauf auf den Fußballplatz. In Fürth hat man die niederbayerischen Qualitäten erkannt, da ist ja jetzt eine ganze Fraktion über Trainerstab und die verschiedenen Mannschaften verteilt. Und dann sind mir noch diese drei Brüder aus Vilshofen aufgefallen, Michael, Martin und Max Tiefenbrunner. Michael ist bei den Sechzgern, Martin beim Club, und dann gibt’s noch Max, den Jüngsten in der Deggendorfer B-Jugend.

...über die Passauer Fußball-Verhältnisse: Ich glaube, man muss das bewundern und anerkennen, was Schalding geleistet hat. Da hat man ja nicht unbedingt davon ausgehen können, dass das alles immer so weitergehen würde. Es war ja auch schon mal ein Abstieg da. Aber Schalding hat in dieser Hinsicht eine tolle Führung, die nicht die Flinte ins Korn geworfen hat und die Chance erkannt hat, die sich geboten hat. Der 1. FC Passau wäre ja an sich der Verein für ein solches Niveau, aber da sind einfach zu krasse Fehler gemacht worden: Einen Profitrainer aus Aachen zu holen und keine Mannschaft zu haben, die das mitmacht! Da brauchen wir ja nicht zu diskutieren. Das war der verkehrte Weg. So etwas muss wachsen. So hat man sich jahrelang in Schulden gestürzt. Schade. Landshut wäre auch eine Adresse mit Potenzial. Mit dem Leistungszentrum wäre auch dort ein Anfang gemacht, aber die haben halt eine große Schwierigkeit, dass Ergolding alles abzieht. Aber auf längere Sicht glaube ich schon, dass in Landshut wieder was gehen kann.

... über die Aufstiegsmöglichkeiten des niederbayerischen Fußballs: Ich begreife nicht, warum BMW in Dingolfing nichts macht. Das würde wie die Faust aufs Auge passen. Audi hat im Ingolstädter Fußball auch lange Jahre nichts gemacht. Erst als VW in Wolfsburg groß eingestiegen ist, hat man sich einen Ruck gegeben, weil man gesehen hat, dass nicht nur mit den elitären Sportarten, sondern auch mit dem Fußball was zu bewirken ist. Und so viel können die Ingolstadt gar nicht mehr verkehrt machen, dass die nicht spätestens in drei Jahren in der Bundesliga sind.

... über Kelheim und die Geld-Gerüchte: Also ich bin nicht in Kelheim, weil Geld laufen würde. Es läuft natürlich keines. Wie sollte es auch? Wir reden hier von einem Kreisliga-Verein. Es macht mir Spaß, aber man muss natürlich viele Abstriche machen. Allein schon weil die Frauen, die Freundinnen so sehr mitreden. Da versteht keiner, wenn ich sage, keiner fährt während der Saison in Urlaub. Da hab ich schon meine Probleme damit. Aber ich mache das professionell. Und ich will auch nicht klagen: Die Trainingsbedingungen, die Spieler, das passt alles.

Ausführliches Wettberg-Porträt in der Passauer Neuen Presse, Donnerstag-Ausgabe, Seite 3