Ex-Club-Profi auf Talentsuche
Bundestrainer Jörg Dittwar: "Wir achten auf sehr einfachen Fußball"

Einst verteidigte Jörg Dittwar (47) in der Abwehr des Clubs, jetzt ist er Nationaltrainer, genauer gesagt Bundestrainer der Fußballer mit intellektueller Beeinträchtigung. heimatsport.de traf Dittwar beim 29. Hallenfußballturnier der Caritas-Werkstätten in Pocking.

15.04.2011 | Stand 15.04.2011, 8:00 Uhr

  Jörg Dittwar, Sie haben rund 150 Bundesliga-Spiele für den 1. FC Nürnberg gemacht und durften im UEFA-Cup gegen den AS Rom spielen. Eine Verletzung verhinderte dann allerdings die Teilnahme an der WM 1990 in Italien. Der schlimmste Moment Ihrer Karriere?

Jörg Dittwar: Dass ich die WM verpasst habe, ist nicht so schlimm. Es war eher so, dass mich die Medien gerne in der Nationalmannschaft gesehen hätten. Damals war es ja noch so, dass man über längere Zeit gut spielen musste, um eine Einladung zu bekommen. Heute wird man ja schon nach drei, vier guten Spielen berufen.

  Sind Sie rückblickend mit Ihrer Fußball-Karriere zufrieden?

Ja. Obwohl ich ein sehr heimatverbundener Typ bin, habe ich alles richtig gemacht. Erst spielte ich sehr lange bei der Spvgg Bayreuth, da hab’ ich ein Angebot von Schalke 04 mit Manager Rudi Assauer ausgeschlagen. Erst nach dem Aufstieg in die 2. Bundesliga wechselte ich mit 24 zum 1. FC Nürnberg. Es war super, gegen Stürmer wie Jürgen Klinsmann, Frank Mill oder Ulf Kirsten spielen zu dürfen.

  Was war für Sie der größte Erfolg Ihrer Karriere?

Sicherlich die Teilnahme am UEFA-Cup in der Saison 1988/89. Aber auch, dass ich einmal an der Spitze der Bundesliga-Torschützenliste stand. In der Erstliga-Saison 1990/91 habe ich vier Tore an den ersten vier Spieltagen geschossen.

  Nachdem Sie 1994 als Sportinvalide Ihre Karriere beenden mussten, stiegen Sie ins Trainergeschäft ein. Anfangs trainierten Sie die A-Jugend des 1. FCN, dann übernahmen Sie die Nationalmannschaft der Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung (ID). Wie kam es dazu?

Als Trainer der A-Jugend waren unter anderem Frank Baumann (28-maliger deutscher Nationalspieler) und Timo Rost in meiner Mannschaft. Doch ich wollte wieder in meine Heimat, nach Oberfranken. So kam es, dass ich gemeinsam mit Bernd Hobsch eine Fußballschule aufgebaut habe. Weil ich schon in meiner aktiven Zeit in Behinderten-Werkstätten zu Besuch war und mir die Arbeit mit Behinderten gefällt, wurde der Bundestrainer-Posten interessant.

  Wo sehen Sie die größten Unterschiede zwischen Fußballern mit und ohne Behinderung?

Beim Training mit unseren 24 Nationalspielern achten wir auf sehr einfachen Fußball, weil die Spieler schnell vergessen. Meistens teilen wir die Spieler in Kleingruppen auf, um sie besser zu erreichen. Damit gewisse Automatismen entstehen, dauern die Trainingseinheiten auch zwei Stunden. Die Spieler werden vor allem in den Bereichen Taktik und Koordination ausgebildet. Beim Spielsystem sind die Jungs noch nicht so weit, dass wir mit Viererkette spielen können. Daher favorisieren wir das 3-5-2-System mit Libero.

  Bei der WM für Menschen mit intellektueller Beeinträchtigung erreichte Deutschland einen erfreulichen sechsten Platz. Ist der WM-Titel realisierbar?

Der Gewinn der Weltmeisterschaft ist eher ein Traum. Die Niederlande und Saudi-Arabien sind uns zehn Jahre voraus. Unser Ziel bei der EM in Polen ist das Halbfinale. Eine herbe Enttäuschung war die Disqualifikation bei der Heim-WM 2006. Wegen unterschiedlicher Gutachten wurde uns der 3. Platz aberkannt.

  Ist das Profi-Trainergeschäft ein Ziel?

Nein, eine Rückkehr ins Profigeschäft reizt mich nicht. Die Arbeit als Bundestrainer - im übrigen als Honorar-Trainer - macht mir sehr viel Spaß. Ich hoffe einfach, dass wir in nächster Zeit mehr in der Öffentlichkeit zu sehen sind.

Das Gespräch führte Helmut Weigerstorfer.