Edelshausen
"Müsliriegel von der Wies'n"

Während einer Kräuterwanderung erfährt man so einiges über nützliche und schmackhafte Wildkräuter

05.10.2020 | Stand 23.09.2023, 14:33 Uhr
Ganz viel Grün und die Kräuterpädagogin wird trotzdem fündig: Monika Stegmmeir mit einer Gruppe junger Damen bei einer ihrer Kräuterwanderungen. −Foto: Röder

Edelshausen - Früher, da gab es mehr Vielfalt - jedenfalls, wenn man sich die Pflanzen anschaut, die auf den Tellern landeten. "Um 1900 standen noch über 400 verschiedene Pflanzenarten auf dem Speiseplan, heute kommen wir vielleicht noch auf etwa 50, wenn wir uns gesund ernähren", sagt die Edelshausener Kräuterpädagogin Monika Stegmeir. Heute fehle ein wenig das Bewusstsein für all die nützlichen Kräuter- und Würzpflanzen, die zwar oft noch in den heimischen Gärten wachsen, aber trotzdem nur noch als Unkraut wahrgenommen werden.

"Dabei sind viele dieser alten Pflanzenarten unglaublich gesund und haben oft viel mehr gute Inhaltsstoffe als das Gemüse, das wir so im Supermarkt kaufen können." Viele Züchtungen sind heute vor allem auf einen hohen Ertrag ausgelegt, auf gute Inhaltsstoffe wird dann weniger Wert gelegt. Stegmeir kennt sich mit dem Thema aus: Als Kräuterpädagogin und Gewürzsommelière bietet sie immer mal wieder Wanderungen über den Bio-Hof der Familie an, den sie gemeinsam mit ihrem Mann betreibt. Und es wächst so einiges Grünzeug auf dem Hof.

Während die Kräuterfrau an diesem nasskalten Freitagabend eingepackt in einer blauen Regenjacke so über das Gras stapft, fällt ihr Blick gezielt ins Grün, je nachdem, welches Kraut sie gerade sucht. Bei den Wildkräutern gebe es verschiedene Arten, sagt sie. Da seien etwa die nützlichen, die die Küche bereichern und sich gut etwa im Salat oder in Suppen machen oder sich bestens zum Würzen eignen; es gebe aber auch solche, die man zwar nicht fürs Essen verwenden könne, "die aber trotzdem das Herz erfreuen, weil sie schön ausschauen", wie die Fachfrau sagt. Und dann gebe es eben auch noch die, die man in der Volksheilkunde als Heilpflanzen für ganz unterschiedliche Leiden verwende.

Der Giersch zum Beispiel, dessen Geruch ein wenig an Petersilie oder Karotten erinnert, wird in vielen Gärten vor allem als Unkraut wahrgenommen. Was daran liegt, dass er sich mit seinen unterirdischen Ausläufern sehr schnell im ganzen Garten ausbreitet. Dabei ist er nicht nur schmackhaft, sondern auch reich an Vitaminen und Mineralstoffen. "Die jungen Blätter machen sich gut im Salat oder man kann sie auch so wie Spinat zubereiten", sagt Stegmeir. Bei ihren Männern - sie ist Mutter dreier Söhne - komme er aber vor allem im Semmelknödelteig gut an. "Wir hocken jetzt aber nicht den ganzen Tag auf der Wiese und essen nur Grünzeug", sagt die Kräuterexpertin und lacht. Es gebe schon auch Deftiges zu essen.

Auf dem 11000 Quadratmeter großen Hofgelände gibt es reichlich Platz für Gundermann, Wegerich, Vogelmiere, Wiesenlabkraut, Wegwarte oder Brennnessel. Zu jedem dieser vermeintlichen Unkräuter weiß Stegmeir etwas zu berichten. Da gibt es zum Beispiel solche Geschichten wie die des Breitwegerichs, den die Ureinwohner Amerikas als "Fußstapfen des weißen Mannes" bezeichnet haben sollen, da sie ihn mit in die neue Welt brachten. Die Kräuterpädagogin bezeichnet ihn wegen seiner guten Inhaltsstoffe als "Müsliriegel von der Wies'n" und weist auf das Wegerichorakel hin, das freilich nicht ganz ernst gemeint ist. Oder die des Gundermanns, der auch als Soldatenpetersilie bezeichnet wurde, angeblich beim Erkennen von Hexen half und deshalb quasi ein Zauberkraut war.

Ähnliches ist von der Brennnessel überliefert, die in vielen Märchen eine Rolle spielt. Im Märchen "Die wilden Schwäne" kann die Schwester ihre verwunschenen Brüder nur erlösen, indem sie ihnen mit bloßen Händen Hemden aus Nesseln webt. Zwischen Stegmeirs Tomatenpflanzen da fühlen sich Franzosenkraut, das viel Eisen hat und macht sich gut im Salat macht und Vogelmiere, die ein wenig nach jungen Maiskölbchen riecht und ebenfalls gut in einen Salat passt, wohl. "Die Vogelmiere gilt als hautpflegend und soll in einer Creme gegen Hautausschlag helfen", erklärt die Fachfrau. Ein Vogelmieretee helfe laut Kräuterpfarrer Sebastian Kneipp gegen festsitzenden Husten.

Beim Spaziergang über den Hof erzählt Stegmeir viele solcher kleinen Infos und Geschichten. Sie kennt nicht nur die Inhaltsstoffe der wilden Kräuter, sondern weist gleich noch darauf hin, in welchen Teil des anschließenden Wildkräutermenüs sie diese verwendet hat.

Denn nach dem Regen und der Kälte draußen kommen die Wildkräuterspezialitäten in Form eines Menüs an die Reihe, sozusagen als Abschluss zur Kräuterwanderung. Brennnesselbrot und Schweizer Bürl dazu Bayerische Kräutercreme, Dostbutter, Türkischer Obazda und Wegerich-Quark. Nicht zu vergessen die verschiedenen Salate, die Monika Stegmeir für ihre Gäste vorbereitet hat: Linsensalat mit Wildkräutern, Spitzwegerich-Käsesalat, griechischer Salat mit Breitwegerich und ein Salat mit Wildkräutern und Blüten, genauer gesagt mit Blättern der Dahlien, die bei Stegmeirs im Vorgarten wachsen. Denn ja, die kann man essen. So sieht die Vorspeise aus. Es folgen Brennnessel-Quiche, Beinwell Cordon Bleu und Spaghetti mit Wegerich-Pesto. Und zum Abschluss wartet eine Holunderblütenmousse mit Kompott auf die Gäste.

SZ

Julia Röder